Überschreitung Speckkarspitze – Kleiner Bettelwurf

Überschreitung Speckkarspitze - Kleiner Bettelwurf

Überschreitung Speckkarspitze – Kleiner Bettelwurf

Karwendel-Spitzentour mit Tiefblicken

Anregende Karwendel-Kraxelei mit spektakulären Tiefblicken ins Halltal und Vomper Loch

Touren der obersten Klasse sind jene auf die Speckkarspitze und auch auf das Bettelwurf-Massiv. Diese Berge sind aus zahlreichen Gründen eine (Einzel-) Besteigung wert: Anstrengung, Höhenmeter, Landschaft, Ausblicke, Tiefblicke…

Doch kann man daraus eine Tour machen, die auch an einem einzigen Tag umgesetzt werden kann? Ja – man kann, wenn man ein paar Voraussetzungen mitbringt!

Überschreitung Speckkarspitze - Kleiner Bettelwurf
Überblick: Gratverlauf von der Speckkarspitze zum Großen Bettelwurf

Kondition, geistige Belastbarkeit, Erfahrung im freien Klettern vorausgesetzt

Die Voraussetzungen sind natürlich: Kondition für eine große Zahl an Höhenmetern (ca. 2.200 hm), Schwindelfreiheit, Trittsicherheit, Erfahrung im freien Klettern bis zum III. Schwierigkeitsgrat (Schlüsselstelle), Erfahrung in der Wegfindung, geistige Belastbarkeit (klettern im Absturzgelände, Ausgesetztheit, Karwendelbruch).

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Schnellster Aufstieg auf die Bettelwurfhütte: der Bachsteig („Bettelwurfhüttenwirt-Steig“)

Aufstieg über den Bachsteig und den Südgrat der Speckkarspitze

Start der Tour ist für mich immer in Absam. Den ersten Teil ins Halltal bis zum Bettelwurfeck bewältige ich am liebsten mit dem Mountainbike, somit habe ich nach der Tour keinen langen „Talhatscher“ mehr und kann entspannt hinabrollen. Eigentlicher Start meiner Variante ist dann ein Stückchen taleinwärts, weil ich den schnellsten Aufstieg auf die Speckkarspitze bevorzuge: den Bachsteig bzw. Bettelwurfhüttenwirte-Steig. Der Legende nach hat der Hüttenwirt Peskoller Sepp diesen Steig zum schnellen Abstieg benützt, um zur Materialseilbahn zu kommen. Eine tolle Beschreibung (und noch mehr viele tolle Geschichten und Beschreibungen) findet man auf der Seite von Rainer Antretter aus Mils, der mit einer großen Hingabe und Wortgewandtheit seine Berggeschichten eloquent darzustellen vermag.

Um zum Bachsteig zu kommen benützte ich die direkte Variante (etwas abkürzend), die bereits vor den Platten beginnt und eine gut kletterbare Wand links eines Wasserfalles unterhalb des Absamer Klettersteigs nützt. Von dieser kam ich direkt ins trockene Bachbett und somit recht schnell aufwärts. Außerdem folgte ich nicht der Ausstiegsvariante auf die Bettelwurfhütte (markiert, rechts aus dem Bachbett führend), sondern blieb im Graben, bis ich auf den Weg von der Bettelwurfhütte in Richtung Lafatscherjoch traf. Diesem folgte ich noch ein Stückchen, um direkt auf der großen Südrippe auf die Speckkarspitze aufsteigen zu können.

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Hier hat man genau den Südgrat (Südrippe) der Speckkarspitze im Blick

Die Kletterei hier ist nicht besonders schwer und man kann ruhig im Fels bleiben, wo sich zahlreiche gute Griffe und Tritte finden lassen. Hier sind auch Grasrücken zu finden, welche mit dem losen Geröll recht rutschig sind und ich sie deshalb zu vermeiden versuche. Der Aufstieg ist recht abwechslungsreich, nie schwierig, mit Gehgelände zwischendurch versehen. Bald kam ich also auf der Speckkarspitze an und hatte schon ein paar Höhenmeter in den Beinen. Zeittechnisch aber kein Vergleich mit dem Aufstieg über die Herrenhäuser, Issjöchl, Issanger und Lafatscherjoch, der sich doch recht in die Länge zieht.

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Blick zurück auf den Abstieg von der Speckkarspitze

Erster Teil: Abstieg am Grat im IIer und IIIer Gelände

Auf der Speckkarspitze habe ich dann die Aussicht genossen, dies ist wirklich großes Kino! Einerseits hat man einen super Ausblick auf Innsbruck, das Halltal und das Stempeljoch, andererseits kann man tief ins Vomper Loch hinabblicken und somit tief ins Karwendel. Außerdem sieht man östlich vom Gipfel den direkten Gratverlauf zum Bettelwurf-Massiv, der nicht gerade einladend wirkt.

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Interessante Felsformationen müssen überklettert werden, die Nordabbrüche ins Vomper Loch verbreiten eine düstere Stimmung

Dies täuscht auch nicht, zu Beginn ist nämlich ein Abstieg zu absolvieren (siehe Foto oben), der es recht in sich hat. Als Bergsteiger weiß man, dass irgendwo hinauf zu klettern meistens recht gut und zügig vonstatten geht, in umgekehrter Richtung aber die kleinsten Schwierigkeiten riesengroß erscheinen können. Im Abstieg hat man hier meistens gruselige Tiefblicke ins Vomper Loch, diese scheinen wirklich endlos zu sein, weiters sieht man die Tritte und Griffe nicht auf den ersten Blick und außerdem hat man noch mit losem Schutt zu kämpfen. Der berühmte Karwendelbruch ist hier fast lückenlos zu finden und man muss sich stark konzentrieren und sich nicht gedankenlos am nächsten Teil Fels festklammern. Lieber einmal mehr prüfen, ob die Griffe und Tritte halten, oder ob sie bei Belastung gleich ausbrechen, was hier leider öfters der Fall ist.

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Am Grat geht es in ständigem Auf und Ab dahin…

Zweiter Teil: Leichtes Auf und Ab am Grat bis zum Signalkopf

Hat man den ersten Teil dann endlich hinter sich (zeitmäßig schlägt dieser ziemlich zu Buche ob der sanften Klettermethode im Abstieg), geht es in leichtem Auf und Ab über zahlreiche enge, aber auch breite Grate dahin. Manchmal gibt es Gehpassagen, manchmal auch Klettereinlagen und balancierende Fortbewegung. Hier findet man auch einen „Reitergrat“ vor, auf dem die Tiefblicke ihren Höhepunkt finden. Normalerweise begegne ich solchen Stellen (Stichwort: Rumer Spitze Westgrat oder Hohe Fürleg Ostanstieg) aufrecht und balanciere darüber hinweg, aber in diesem Fall muss ich zugeben, hier hat sich die Bezeichnung „Reitergrat“ erst für mich erstmalig bewahrheitet (siehe Foto unten). Also eine „Reiterposition“ eingenommen und sich lächerlich über den Hosenboden fortbewegt. Schaute sicherlich ziemlich blöd aus, ließ mich aber über diese Stelle hinwegkommen. Nach diesem Bereich kommt man wieder relativ zügig voran und kann den Anstieg zum Signalkopf wie auf einem Wanderweg meistern.

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Am Reitergrat – Sitz mit Aussicht

Dritter Teil: Schluss mit lustig – vom Signalkopf zum Kleinen Bettelwurf

Die Hauptschwierigkeiten lagen noch vor mir und ich machte mir schon vom Tal aus immer wieder meine Gedanken, wie der Übergang zu dem sichtbaren Turm vor dem eigentlichen Anstieg bewältigbar wäre.

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Die Klettereien erreichen den Höhepunkt direkt am Anstieg zum Kleinen Bettelwurf

Das Gelände steilt hier deutlich auf und man muss ein paar Felstürme umschiffen, dies erfolgt meist auf der „dunklen“ (Nord-) Seite. Diese ist bekanntlich recht düster, hier ragen bizarre Felsformationen auf und bis ins Vomper Loch sind es viele Höhenmeter hinunter, die steil abfallen. Dass man hier keinen Fehler machen darf, muss einem klar sein! Hier trifft man auf den Nordanstieg und die Schlüsselstelle, die in zahlreichen Beschreibungen ausgeführt wird.

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Zwischen den Grattürmen vor dem Signalkopf des Kleinen Bettelwurfs

Die Schlüsselstelle ist eine überhängende Rinne mit Klemmblock, die griff- und trittarm zu sein scheint, außerdem aber noch loses Geröll unweigerlich losgetreten wird. Bei konzentriertem Klettern und Prüfen der Griffe und Tritte stellte ich fest, dass man hier mit Kamintechnik und Verspreizen der Beine am besten ankommt. Dass es sich um die Schlüsselstelle handelt, bekam ich dann am Ende des Kamins bestätigt, wo ein Normalhaken mit Reepschur und eine Bandschlinge, über ein Felsköpfl gefädelt, dies preisgaben.

Letzter Anstieg auf das Bettelwurfmassiv: was für eine Erfahrung!

Im Alleingang war dies zweifelsohne eine Mutprobe, die sich für mich als ein ziemlich kühnes Abenteuer herausgestellt hat. Ich konnte meine Gefühle nicht richtig ordnen, einerseits musste ich sehr konzentriert vorgehen, vor allem in den Nordabbrüchen ist zaghaftes und sanftes Klettern Pflicht, immer wieder gehen Steine und Geröll ab, welche sich mit lautem Geräusch auf Nimmerwiedersehen ins Vomper Loch verabschieden. Andererseits wollte ich an die tollen Klettereinlagen und die Herrlichkeit dieser Tour zurückdenken, welche eine große Leistung darstellen.

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Bald ist die Höhe des Vorgipfels erreicht, danach folgt der unschwierige Übergang zum Hauptgipfel des Kleinen Bettelwurf

Auch am Bettelwurfmassiv ist man noch lange nicht aus den Schwierigkeiten heraus

Am Vorgipfel des Kleinen Bettelwurf scheint man dann in gewohnter Umgebung angekommen zu sein weil man erstmalig wieder auf Wegmarkierungen und Spuren von Bergfeuern trifft. Hier konnte ich die Umgebung wieder auskosten und mich kaum an der Aussicht sattsehen. Es lohnt sich der Blick in alle Richtungen und mir wurde wieder einmal bewusst, wie schön unsere Bergwelt in Tirol wirklich ist.

Bald hatte ich danach den Gipfel des Kleinen Bettelwurfs erreicht und ich entschied mich für den Abstieg über den Bettelwurf-Klettersteig zur Bettelwurfhütte. Hier ist im Abstieg nochmal konzentriertes Steigen angesagt, es liegen zahlreiche lose Steine herum und es müssen einige Passagen (manchmal Stahlseilversichert, manchmal nicht) abgeklettert werden.

Auf der Hütte konnte ich verspätetes Mittagessen genießen und eine längere Rast einlegen. Nach eine stärkenden Knödelsuppe und einem selbstgemachten Hollersaft trat ich den Abstieg über den Normalweg an, welcher sich als der heißeste Abschnitt herausstellte. An diesem fast wolkenlosen Tag war es zwischen den Latschen – wie üblich – sehr heiß, aber in der Wechselreise zwischen den Steinen schien die Luft zu stehen. Nach einer Erfrischung im Bach konnte ich die Heimfahrt per Mountainbike antreten.

Zusammenfassung: sehr großes Bergkino mit zahlreichen Höhepunkten (Bachsteig, Aufstieg Südgrat, Speckkarspitze, Abstieg Grat, Gratklettern bis zum Signalkopf, Aufstieg auf den Vorgipfel, Kleiner Bettelwurf, Abstieg Klettersteig, Bettelwurfhütte, Abstieg, Halltal). Ein wahnsinnig tolles Erlebnis, von dem ich noch länger zehren werde!

Das Video zur Speckkarspitze und dem Gratverlauf zum Kleinen Bettelwurf:

Und das Video zum Bettelwurfmassiv (Vorgipfel, Hauptgipfel Kleiner Bettelwurf, Großer Bettelwurf, Bettelwurf-Osteck):

Ein Überblickvideo zur Bettelwurfhütte:

Hier die Bildergalerie vom Übergang Speckkarspitze zum Kleinen Bettelwurf:

Die Speckkarspitze auf Google Maps:

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